Für den HNO Arzt steht an erster Stelle, herauszufinden, ob der Gehörgang und das Mittelohr sich als "normal" darstellen. Wenn dies der Fall ist, dann steht zur Behandlung des Tinnitus im Vordergrund, festzustellen, ob eine Schwerhörigkeit besteht.
Falls eine Schwerhörigkeit besteht, die eine Unterstützung durch ein Hörgerät bedarf, kann durch das Hörgerät häufig eine Reduktion der Lautstärke und Belastung durch den Tinnitus erreicht werden und ist auch die einzige Möglichkeit durch eine Intervention von außen auf den Tinnitus einzuwirken.
Bei starker Belastung durch den Tinnitus und nachgewiesener Schwerhörigkeit, die jedoch noch keiner Hörgeräteverstärkung bedarf, sollte man darüber nachdenken, ggf. ein Hörtraining mit Hörgeräten auszuprobieren. Die Kosten werden jedoch noch nicht von der Krankenkasse getragen.
Im Laufe der Zeit wurde immer deutlicher, dass die Tinnitusbelastung, also die Beeinträchtigung durch die Wahrnehmung des Tinnitus, die Lautstärke und die damit verbundene Gedankenkreise nur durch den Patienten selber beeinflussbar ist.
Leitlinie chronischer Tinnitus
Weshalb ist das so?
Wie erklärt man sich die Entstehung des Tinnitus?
"Tinnitus ist der medizinische Fachausdruck für Ohrgeräusche, die von Betroffenen wahrgenommen werden, ohne dass eine äußere Schallquelle vorhanden ist. Das können verschiedene Geräusche sein wie Pfeifen, Rauschen, Zischen, Klopfen oder Summen.
Der Geräuscheindruck entsteht meist durch unnormale Aktivität im Hörsystem. Das können Veränderungen der Schallverarbeitung im Innenohr sein, seltener auch Veränderungen des Schalltransportes im Mittelohr oder der weiteren Schallverarbeitung in Hörnerv und zentralem Nervensystem.
In den allermeisten Fällen handelt es sich um einen subjektiven Tinnitus, den nur die betroffene Person hört. Viel seltener (ca. 1 % der Fälle) ist ein objektives Ohrgeräusch, das von außen messbar ist und durch Körpergeräusche verursacht wird.
Bis zu einer Dauer von drei Monaten sprechen Fachleute von „akutem Tinnitus“. Ein Ohrgeräusch, das seit mehr als drei Monaten besteht, wird als „chronischer Tinnitus“ bezeichnet. [...]"
"In Deutschland hat etwa ein Viertel der Menschen bereits einmal ein Ohrgeräusch wahrgenommen. Etwa 250.000 Deutsche bekommen jährlich einen chronischen Tinnitus. Rund 1,5 Millionen Menschen hierzulande leiden sehr unter ihren Ohrgeräuschen. Erhebungen in weiteren europäischen Ländern zeigen vergleichbare Fallzahlen. [...]²
"In den ersten Jahren leiden viele mit chronischem Tinnitus unter Schlafstörungen, die sich mit der Zeit trotz Tinnitus verbessern.
Therapien wie kognitive Verhaltenstherapie und angenehme Geräusche helfen, Aufmerksamkeit vom Tinnitus abzulenken. Alkohol und Schlaftabletten sind nicht empfehlenswert, Antidepressiva können helfen. [...]
Tier und Mensch reagieren auf unbekannte Geräusche mit erhöhter Aufmerksamkeit. Tinnitus kann ein Warnsignal für Überlastung sein. Finden und beheben Sie die Ursachen, um zu erkennen, dass Tinnitus bedeutungslos ist. Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Wichtiges im Leben. Viele überhören Tinnitus innerhalb eines Jahres. [...]
In der Tinnitus-Bewältigungs-Therapie (TBT) wird Tinnitus als Wahrnehmungsproblem betrachtet. HNO-Ärzte, Psychotherapeuten und Hörakustiker zeigen die Komplexität des Tinnitus auf. Die Behandlung basiert auf der Erkenntnis, dass Tinnitus eine Folge von Veränderungen in Hörbahnbereichen des Gehirns ist, ähnlich dem Phantomschmerz, und höchstwahrscheinlich keine Durchblutungsstörung. [...].²
²Der Text stammt von der Internetseite der Tinnitusliga
Die Behandlung des sog. dekompensierten Tinnitus, d.h. bei ausgeprägtem Leidensdruck mit Schlafstörungen und deutlichen Beeinträchtigung des sozialen, beruflichen und privaten Lebens erfolgt deshalb hauptsächlich über eine Verhaltenstherapie.
Für HNO-Ärzte besteht die Möglichkeit, DIGA komforme Apps (je nach Krankenkasse) zu verordnen.
z.B. Kalmeda APP, Tinnitracks etc.
Über die Hausärzte erfolgt die Einleitung einer psychotherapeutisch angeleiteten Verhaltenstherapie und in besonders schweren Fällen auch die Beantragung bei den Krankenkassen einer Verhaltenstherapie/Rehabilitation in einer Tinnitusklinik im ambulanten oder stationären Setting.